Geschichte

Wasser gegen den Hunger

Das Hilfswerk Tamahú – anfänglich noch Verein Arztstation Tamahú – hatte sich seit der Gründung  1994 (vor über 25 Jahren) auf das Gesundheitswesen konzentriert. Die Erkenntnis, dass sauberes Wasser für die Bevölkerung einen wichtigen Pfeiler der gesundheitlichen Versorgung darstellt, ist nicht neu. Im Rahmen der Bildungsreise 2005 wurde bei Besuchen der gesundheitlichen Einrichtungen von den Exponenten des Gesundheitswesens in Tamahú und Cobán wiederholt darauf hingewiesen, dass sauberes Wasser auch im wasserreichen Polochictal keine Selbstverständlichkeit darstellt und dass diesbezüglich Handlungsbedarf besteht.

Daraus reifte die Einsicht, Aktivitäten in diesem Bereich aufzunehmen. Wir besichtigten die Siedlungen „La Libertad“ sowie „Panteón“, beides Weiler der Gemeinde Tamahú. La Libertad verfügte über keine Trinkwasserversorgung. Das Wasser wurde unterhalb des Dorfes aus dem Bach geholt. Panteón hatte eine Trinkwasserversorgung in desolatem Zustand, deren Reparatur im steilen, nur schwer zugänglichen Gelände mit zu hohen Aufwendungen verbunden gewesen wäre.

Nach längerer Suche und auf Grund von Empfehlungen durch die Schweizer Konsulate in Mittelamerika konnten Kontakte zur Organisation „Agua del Pueblo“ (ADP) geknüpft werden. Insbesondere die indigene Leiterin des ADP-Büros in Cobán, Ana Cal Choc, vermochte uns mit ihrem Wissen und ihrer Einstellung gegenüber der indigenen Bevölkerung zu beeindrucken. Eine fruchtbare Zusammenarbeit nahm damit ihren Anfang. ADP verfügte bereits 2005 über ein fast ausführungsreifes Projekt für La Libertad. Relativ rasch konnte darum die erste Trinkwasserversorgung in Angriff genommen werden und schon 2006 hat die Einweihung stattgefunden. Jede Behausung von La Libertad hatte nun einen Wasserhahn vor der Haustüre, aus welchem – wie in der Schweiz – sauberes Trinkwasser direkt ab Hahn getrunken werden konnte! Der damalige Bürgermeister von Tamahú reklamierte die Wasserversorgung als sein Verdienst. Die Einwohner von La Libertad liessen sich dies jedoch nicht bieten und organisierten einen Protestmarsch mit Schweizerfahne durch Tamahú. Es war danach allen klar, wem der Erfolg zuzuschreiben war.

Anfragen für Wasserversorgungen weiterer Dörfer lagen auf dem Tisch, doch dafür mussten zuerst konkrete Projekte ausgearbeitet werden. Naxombal besass eine ergiebige Quelle jedoch zu klein dimensionierte Anlagen. Wir versprachen deshalb den Dörfern Naxombal und Panteón die Finanzierung neuer Wasserversorgungen, falls Naxombal bereit sei, einen Teil seines Quellwassers an Panteón abzutreten. Der Wille zur Zusammenarbeit war bei den beiden Dörfern vorerst jedoch nicht vorhanden. In Concepción de María hätte man bauen können, doch musste festgestellt werden, dass die Quelle kein sauberes Wasser lieferte. Die Verhandlungen mit dem benachbarten Grossgrundbesitzer über eine andere Quelle verliefen erfolglos. Doch 2010 war es endlich so weit. Das Projekt für Concepción de María wurde um einen sogenannten „Langsamfilter“ erweitert und konnte Ende Jahr eingeweiht werden. Das System liefert nun ebenfalls sauberes Trinkwasser ohne Chlorierung, allein dadurch, dass das Wasser durch einen mehrere Kubikmeter grossen Kies-/Sandfilter geführt wird, der die Reinigung bisher einwandfrei gewährleistet – ein Meilenstein.

Im selben Jahr organisierte sich ADP neu und schloss die Niederlassung in Cobán. Ana Cal Choc gründete darauf die eigene Organisation ADICAY mit denselben Mitarbeitenden und Zielen. Ab sofort übernahm ADICAY die Verantwortung für unsere Wasserprojekte.

Nun folgten sich die Projekte Schlag auf Schlag: 2011 Trinkwasserversorgungen Chipoclaj und Santa Ana sowie Sesarb. In Sesarb muss das Wasser von der Quelle zum Reservoir rund 100 m hochgepumpt werden. Eine Dieselpumpe steht dafür im Einsatz. Inzwischen ist die Dieselpumpe durch eine Solarpumpe ersetzt worden. 2012 konnten die Trinkwasserversorgungen von Pantic Escuela und Pantic Comunidad realisiert werden. Im gleichen Jahr einigten sich die Weiler Naxombal und Panteón endlich auf eine gemeinsame Nutzung der grossen Quelle von Naxombal, womit die Bahn frei wurde für ein erstes gemeinsames Projekt – ein weiterer Meilenstein. Bei diesem Projekt haben sich zudem erfreulicherweise auch Frauen als Brunnenmeisterinnen zur Verfügung gestellt. Ein Novum das nicht hoch genug gewertet werden kann. Die Fertigstellung und Einweihung des äusserst grossen Projektes erfolgte im Frühjahr 2014.

In Realisierung war 2014 auch die Wasserversorgung von Sesarb Sechaj. Ein Weiler, der auf Grund seiner Lage über verkarstetem Untergrund  weder über Quell- noch Grundwasser verfügt. Es wurden daher Betontanks für jedes Haus in den Boden gebaut. Das Dachwasser wird gesammelt und gefiltert in die Tanks eingeleitet. Auf die Erfahrungen mit diesem System ist man sehr gespannt.

In Projektierung sind 2014 weiter die Trinkwasserversorgungen von Guaraxul und Yuxilhá.  Sobald die Grundlagen erarbeitet waren, konnte mit dem Bau gestartet werden. Die Fertigstellung erfolgte 2015.

Mit diesen beiden Projekten war das erste Dutzend an realisierten Wasserversorgungen in Tamahú voll. Es verfügte ab diesem Zeitpunkt rund 5‘000 Personen über sauberes Trinkwasser. Die gesamten Kosten für diese Bauwerke beliefen sich auf rund CHF 700,000.00.

Doch damit war die Entwicklung noch nicht zu Ende. Es folgten mehrere weitere Trinkwasserprojekte in Guaraxul, Sequib, Jolomché, San Antonio las Puertas, Sesalché, Chipacay und Chimolon. Ein weiteres Projekt ist derzeit für Chitulub in Ausführung. Ende 2022 werden damit gegen 11'000 indigene Personen dank dem Verein Tamahú Guatemala an eine Trinkwasserversorgung angeschlossen sein.

Möglich ist dies, dank der Tatsache, dass der Verein Tamahú Guatemala mit Dr. Jürg Stäuble über einen ausgewiesenen Fachmann verfügt, der einen beispielhaften Know how Transfer von der Schweiz nach Guatemala möglich gemacht hat. Auf der anderen Seite ist die Vertrauensperson in Guatemala, Ana Cal Choc, entscheidend an den erfolgreichen Projekten beteiligt. Schliesslich ist es auch ein Verdienst der Dorfgemeinschaften, welche die schwere Arbeit vor Ort im Frondienst erledigten. Nun sind es ihre Wasserversorgungen und sie pflegen diese mit Leib und Seele. Dies garantiert die Nachhaltigkeit der Projekte.